Ironman Hamburg Training
| |

Jens in 4 Monaten zum Ironman!

Wenn Leute wie Dr. Dietrich Grönemeyer oder andere vermeintliche Fitness-Experten durch die Talkshows getingelt sind, gab es zum Thema Ausdauer immer die Standardempfehlungen wie „ganz langsam anfangen, die ersten 8 Wochen nur 3×30 min die Woche“. Das ist natürlich grober Unfug, auch ein völlig Untrainierter kann gleich zu Beginn wesentlich umfangreicher trainieren, solange man die Intensität niedrig und sich an zyklische Ausdauersportarten hält und keine Versuche z. B. im Kickboxen unternimmt.

Untrainiert war Jens nicht, denn er hat eine langjährige sportliche Vergangenheit als Hockeyspieler. Koordinativ daher auch keine Probleme, wobei bei der Fernanalyse eines Kraulvideos der oftmalige Fehler des zu starken Beinschlags zu erkennen war, der einen Großteil des Sauerstoffs frisst. Das war schnell behoben und nach einem späteren Kraultraining vor Ort übernahm ich im Mai die Verantwortung für sein Training. Zuvor hatte Jens nach einem Trainingsplan von Joe Friel trainiert, der jedoch mit seiner Arbeit nicht wirklich kompatibel war.
Ausgangsvoraussetzungen in Sachen Ausdauer: 23:30 min über 5km in 2013, 1:54h im Halbmarathon 2014, 51:52 min über 10km in 2016. Der Fachmann erkennt da schon, dass das Niveau ungefähr gleich geblieben ist.
Schwimmen: 1000m max. in 2017 in 24:50 min.

„…übrigens, der Ironman in Hamburg…“

Ursprüngliches Ziel war der Ironman 70.3 im Kraichgau am 11. Juni, wobei Jens bisher noch keinen Triathlon absolviert hatte. Recht schnell teilte mir Jens dann aber mit: „…ach, übrigens, ich habe mich auch noch für den Ironman Hamburg am 13.08. gemeldet!“
Okay, ich mag diese Typen, die einfach machen, die draufgehen, etwas riskieren – wahrscheinlich einfach deshalb, weil ich selbst so war. Aber machen wir uns nichts vor, ich hätte von dem Vorhaben natürlich abgeraten. Zumal es auch mein Ziel ist, dass alle meine Leute anständig und halbwegs aufrecht ins Ziel laufen können und das war bei der Ausgangssituation alles andere als wahrscheinlich.

Der Ironman: die doppelte Distanz, ein Vielfaches an Schmerzen!

Der Ironman ist nicht einfach das Doppelte der Mitteldistanz, die drohenden Qualen sind ein Vielfaches höher, wenn man schlecht vorbereitet ist.  Die Mitteldistanz geht man erholt an, die 2. Hälfte des Ironman beginnt man aber nicht total frisch, sondern oftmals schon völlig erschossen. Das ist keine Übertreibung, dass man sich bei km 1 des Ironman durchaus so kaputt wie bei km 39 eines Solo-Marathons fühlen kann.

Sprint, Mittel, Ironman

Zuvor gab es zum Einstieg noch den Sprint-Triathlon in Mußbach. Der hat auch ganz gut funktioniert und Jens war daraufhin sehr euphorisch, aber beim Ironman 70.3 im Kraichgau kam es dann schon knüppeldick mit einer sehr schweren Strecke und dazu noch großer Hitze. Generell rate ich meist zu so wenig Wettkämpfen wie möglich im Vorfeld, da der Rhythmus gebrochen wird, der Umfang fällt und der Nutzen gering ist. In dem Fall war es aber anders, denn Jens hatte sehr gelitten und war jetzt gewarnt, denn die Verdoppelung der Distanz drohte zu einem Fiasko zu werden. 2h14 für den Halbmarathon und über 6h30 gesamt waren genau das Leistungsniveau in diesem Moment und das deutete für Hamburg auf mind. 13h, eher 14h und auf einen 5h-Marathon hin.

Ehrliches Training: Jens‘ gewissenhafte Vorbereitung!

Jens hat sich daraufhin sehr gewissenhaft auf den Ironman vorbereitet, hat die Trainingspläne sehr diszipliniert abgearbeitet, wie auch Frank in Hannover bei der Ernährungsstrategie auf Hammer Nutrition und eben keinen Einfachzucker gesetzt.
Was trainiert man nun bei kniffliger Ausgangssituation und recht wenig Zeit: irgendwelche Wundereinheiten, Intervalle auf der Bahn, Schwimmen im Strömungskanal? Der aufmerksame Beobachter ahnt es schon, genau diese Sachen wären kontraproduktiv. Nichts anderes als ehrliches Training, was schon bei Frank in Hannover zu letztlich wesentlich höheren Umfängen geführt hat als er selbst jemals für möglich gehalten hatte.
Jens hat den Plan voll erfüllt, ist nicht krank geworden, hat sich nicht verletzt und konnte an den Start gehen. Bei der hohen Zahl an TeilnehmerInnen, die erst gar nicht antreten, keine Selbstverständlichkeit. Zumal das Wetter in der Wettkampfwoche drehte, es im Vorfeld stark regnete und Jens zu allem Überfluss auch noch massive Magenbeschwerden bekam, was aber vielleicht nur auf die Anspannung vor dem Rennen zurückzuführen war.
Das 6-Wochen-Tapering nach Mark Allen musste ausbleiben, denn hier zählte praktisch jeder Tag, um die Ausdauerfähigkeiten noch zu verbessern. Letzten Endes ist es aber so: selbst bei sehr guter Fitness kann man sich durch eine zu offensive Renneinteilung alles zerstören und sich unfassbare Schmerzen auf der Laufstrecke zuführen.
Die Schmerzen hat Jens dann auch gehabt, aber erst auf den allerletzten Kilometern. Mit 3h für die ersten 30km des Marathons war er deutlich schneller als zuvor über die halbe Distanz, erst hinten raus wurde es knüppelhart, Jens hat sich aber praktisch ohne Gehpausen in 4h17 durchgebissen.
Entscheidender Punkt dafür war auch die Zurückhaltung beim Schwimmen und beim Radfahren!
Ja, da spekuliert man nachher und es ärgert einen vielleicht etwas, hätte man auf dem Rad nicht etwas mehr Druck machen können? Ja sicher, zumal in dem Zeitbereich 20 Watt mehr gleich 20 min ausmachen. Was dann auf der Laufstrecke passiert wäre, wäre aber unkalkulierbar gewesen, im Idealfall wäre Jens genauso schnell gewesen (sehr unwahrscheinlich), im noch sehr günstigen Fall nur 20 min langsamer, möglicherweise wäre er aber auch eine Stunde langsamer gewesen (wäre passiert, wenn er schon mit dem Schnitt der letzten 10 km von 7:30 min losgelaufen wäre, also nicht unwahrscheinlich) oder sogar gar nicht angekommen.

Gesund, aufrecht und laufend im Ziel

Gesund, aufrecht, laufend ins Ziel gekommen, dabei noch sehr viele AthletInnen überlaufen. Bei der extrem kurzen Vorbereitung, wofür andere viele Jahre brauchen – viel besser hätte es nicht laufen können!

Noch ein Statement von Jens vom Rennabend: „Im Moment bin ich, wie du dir denken kannst, völlig unbrauchbar und ich freue mich aufs Bett. Nur soviel: das war eine beinharte Geschichte, richtig brutal gegen Ende – und das ist, verglichen mit dem, was ich während der letzten 5km beim Laufen tatsächlich dachte, noch verblümt ausgedrückt 🙂  nicht falsch verstehen, es hat einen Heidenspaß gemacht, aber ich weiß jetzt was du meinst, wenn du sagst, man muss es erst erlebt haben. Ich denke auch, fast alles ist gut gelaufen, der Lauf hat mich selbst überrascht. Nur mit der Radzeit bin nicht so zufrieden. Es war windig, kalt, z.T. regnerisch, und die Höhenmeter waren nicht zu unterschätzen…..Vielen vielen Dank nochmal für deine super Betreuung! Ohne die wäre das Ganze sicher unrealistisch gewesen.“

Ich bedanke mich bei Jens für das entgegengebrachte Vertrauen und freue mich auf die nächste Saison: Hammer on, Jens!

 

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert